Hier und dort

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Hier und dort

Description

Die Konstellation der Gesangsmelodien und Klangtexte von hier und dort ist das Resultat einer Bewegung von Ort zu Ort, sei es im Leben oder in Gedanken, in der Vergangenheit oder im Jetzt; sei es im Makrokosmos der Zeit, des Lebens, des Universums, oder im Mikrokosmos der Stimme: in ihrem Klangraum und ihrer Artikulation.

Die Menschen des 13. und 15. Jahrhunderts fürchten sich vor dem Ungeheuer des Todes (Ich spür ain tier), warnen vor dem verräterischen "Glanz der Welt", der vergehen und stattdessen "Kummer und Misserfolg" bringen wird (Worldes blis). Sie erhoffen sich durch Anhäufung guter Taten eine leichtere Höllenfahrt, um schließlich erleuchtet zu werden und im Jenseits "des Himmels Glanz" zu erfahren.

Im 20. Jahrhundert hingegen werden erkennbare geographische Orte wie Städte, Flüsse oder Gebirge in extremer Höhe wie Tiefe der Stimme aufgesucht (Solo for voice 67). Hildegard von Bingen hüllt den Raum in "Klang und Leben" und spricht in ihrem Antiphon Laus trinitati von dem "wunderbaren Glanz des Geheimen, das die Menschen nicht kennen."

Von Mysterien und Rätseln umgeben sind die Rezitationen im 21. Jahrhundert: "was wäre wenn...?" (If I were a poet). Schwindsüchtige Klänge und auditive Gestik führen zu geistigen Orten (Récitation 8). In diesen befindet sich auch der gregorianische Choral Veritas veritatum, der in seiner Wahrheit an die Heilkräfte Jesu erinnert: "Steh auf, nimm dein Bett und geh'!"

In vielen poetischen Metaphern - "die Freiheit der Lerche im Flug zur Sonne", "das Gefangensein des Herzens durch die Liebe", "das sich Verlieren im Spiegel der Geliebten Augen" - beklagt Ventadorn seine unbeantwortete Liebe in okzitanischer Sprache (Can vei la lauzeta). Ganz im Gegensatz zu seinen Dichterkollegen I. K. Bonset und Kurt Schwitters, die die Sprache an sich als Klang wahrnehmen: Buchstabenklangbilder (Letterklankbeelden) und Silben für das Scherzo und Trio ('äußerst langsam vorzutragen') der Ursonate.

Bleibt zum Ende John Cage's Verschmelzung von Sprachen, Textfragmenten, bunten Gesängen und graphischer Partitur in Aria von 1958.

Die von Dietmar Bonnen und Cora Schmeiser gebauten 'Brücken' von Instrumenten und Stimme flüstern und klingen von hier nach dort.
Germany
02 - Ich spür ain Tier - Oswald von Wolkenstein
04 - Récitation 8 - George Aperghis
06 - Laus trinitati - Hildegard von Bingen
08 - Letterklankbeelden - I. K. Bonset
10 - Worldes blis - Anonym
12 - Solo for voice 67 - John Cage
13 - Can vei la lauzeta - Bernard de Ventadorn
15 - Ursonate, 3. Teil (Scherzo - Trio - Scherzo) - Kurt Schwitters
17 - If I were a poet - Beth Anderson
19 - Veritas veritatum - Philip der Kanzler
21 - Aria - John Cage
01, 03, 05, 07, 09, 11, 14, 16, 18 and 20 - Brücken
Top level vocalist performing old and new avantgarde compositions
Modern, Classical

Creator

Cora Schmeiser

Publisher

Obst Music

Date

2014

Identifier

WCCD0010

Collection

Citation

Cora Schmeiser, “Hier und dort,” WPB, accessed November 7, 2024, https://tpb.worm.org/items/show/12295.

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